»Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay« will breiter über 129-b-Verfahren informieren
Von Carsten Ondreka
Am Dienstag und Mittwoch will die neugegründete »Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay« auf die Situation des 52jährigen schwer herzkranken türkischen Gefangenen aufmerksam machen. Gegen ihn und vier weitere Männer läuft zur Zeit ein Prozeß vor dem Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach Paragraph 129b vorgeworfen. Sie sollen Mitglieder der türkischen Revolutionären Volksbefreiungspartei – Front (DHKP-C) sein. Der Prozeß ist nach Ansicht der Anwälte und der Plattform ein Versuchsfeld für weitere Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder und Symphatisanten ausländischer Befreiungsbewegungen. Vor kurzem begann auch in Düsseldorf ein 129-b-Prozeß gegen zwei türkische Linke. Die in Stuttgart Angeklagten werden in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim unter Sonderhaftbedingungen festgehalten. Auch Mustafa Atalay, der seit November 2006 in Untersuchungshaft ist. Er ist 23 Stunden am Tag allein in der Zelle bzw. auf der Krankenstation. Seine Post wird nur mit großer Verzögerung ausgehändigt. Politische Zeitschriften bekommt er gar nicht. Atalay kann dem Prozeß nur mit Hilfe starker Medikamente folgen. Drei Anträge auf Haftverschonung wurden bislang abgelehnt.
Die Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay hat für Dienstag eine Delegation organisiert, die dem kommenden Verhandlungstag beiwohnen wird. Mit dabei sind der Schriftsteller Peter O. Chotjewitz, der Psychologe Ralf Binswanger und Christian Herrgesell vom Komitee für Grundrechte und Demokratie. Am Mittwoch werden sie auf einer Pressekonferenz im Stuttgarter DGB-Haus (Willi-Bleicher-Straße) über die Situation Mustafa Atalays und den laufenden Prozeß berichten.
Die Solidaritätsplattform will den Druck auf das Gericht erhöhen und Atalays Freilassung erwirken. Darüber hinaus soll die Öffentlichkeit breiter über die laufenden 129-b-Verfahren informiert werden. Daß ein psychisch labiler Doppelagent, der jeweils für türkische und deutsche Geheimdienste tätig war, als Hauptbelastungszeuge in dem Prozeß auftritt, ist zum Beispiel nur wenigen bekannt. Kaum thematisiert wurde in den bürgerlichen Medien bislang auch, daß unter Folter erpreßte Aussagen aus der Türkei als Beweismittel genutzt werden. »Das Verfahren«, so ein Sprecher der Plattform gegenüber junge Welt, »führt viele rechtliche Standards ad absurdum«.
von Carsten Ondreka, Junge Welt, 07.07.2009