Freitag, 10. Juli 2009

Delegation besucht Stammheimer Prozeß

»Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay« bei 129-b-Verfahren. Solidaritätsaktion im Gerichtssaal

Von Carsten Ondreka

Am Dienstag besuchte eine Delegation, organisiert von der »Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay«, ein Verfahren gegen fünf türkische Linke vor dem schwäbischen Oberlandesgericht (OLG) in Stuttgart-Stammheim. Mustafa Atalay, Ahmet Düzgün Yüksel, Ilhan Demirtas, Devrim Güler und Hasan Subasi wird die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach Paragraph 129b vorgeworfen. Sie sollen Mitglieder der türkischen Revolutionären Volksbefreiungspartei – Front (DHKP-C) sein. Atalay ist schwer herzkrank, deshalb fordert das Bündnis seine sofortige Freilassung. Die Delegation mit rund 30 Teilnehmern wurde von dem Schriftsteller Peter O. Chotjewitz, dem Schweizer Psychiater Ralf Binswanger und Christian Herrgesell, dem Gefangenenbeauftragten des Komitees für Grundrechte und Demokratie, begleitet.

Die Teilnehmer der Delegation mußten sich peniblen Sicherheitsvorkehrungen unterziehen. Christian Herrgesell kommentierte, daß es nicht verwunderlich sei, wenn der Prozeß angesichts solcher Hürden weitgehend ohne Öffentlichkeit stattfinde. Er kritisierte zudem den Umgang mit den Gefangenen, die bei jeder Verhandlungspause Handschellen oder gar Fußfesseln angelegt bekamen. Peter O. Chotjewitz, der schon 1975 im Stammheimer Prozeß gegen die RAF Beobachter war, monierte vor allem das Verhalten des Strafsenats gegenüber der Verteidigung. Sämtliche ihrer Anträge und Eingaben wurden abgeschmettert.

Das Gericht verlas vor allem seitenweise Texte, darunter Anschlagserklärungen der DHKP-C und Bewertungen des Auswärtigen Amtes. Nach dem Verlesen einer solchen Erklärung stand eine Gruppe der Prozeßbeobachter demonstrativ auf. Auf ihren Hemden war der Schriftzug »Weg mit dem Paragraphen 129« zu lesen. Erwartungsgemäß führte diese Aktion zu einer längeren Pause. Die Prozeßbesucher wurden allesamt des Saales verwiesen, durften aber nach längeren Verhandlungen wieder das Verfahren verfolgen.

Schließlich stellte der Angeklagte Ahmet Yüksel einen Befangenheitsantrag gegen den Senat des OLG. Er begründete das mit der Informationspolitik gegenüber den Anwälten und Angeklagten. Hintergrund waren Gespräche zwischen Anwälten, Bundesanwaltschaft und Strafsenat über eine mögliche Abtrennung der Verfahren der gesundheitlich beeinträchtigten Gefangenen Atalay, Demirtas und Subasi. In diese Gespräche waren nicht alle Verteidiger gleichermaßen einbezogen. Am nächsten Verhandlungstag, dem 14. Juli, muß ein Kontrollgericht über die weitere Zuständigkeit des Strafsenats beschließen. Erst danach wird es eine Entscheidung über eine mögliche Abtrennung der Verfahren geben.

Am Mittwoch nachmittag informierte die Delegation die Öffentlichkeit über den Verlauf des Verfahrens auf einer Pressekonferenz. Die »Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay« wertete die beiden Tage in Stuttgart-Stammheim am Freitag gegenüber junge Welt als Erfolg. Es sei gelungen, den Prozeß und seine Hintergründe bekannter zu machen und den Angeklagten Solidarität zu bekunden.

von Carsten Ondreka, Junge Welt, 10.07.2009